Meine Pläne und was mich das Leben gelehrt hat

Seit meiner Jugend hatte ich einen Plan: ich wollte Arzt werden und richtete alles darauf aus. Ich brauchte natürlich gute Noten in der Schule und verzichtete dafür auf so manche Party. Sogar mit dem geliebten Handballspielen hörte ich auf, aus Angst mich zu verletzen und in der Schule auszufallen. Während des Studiums behielt ich mein Ziel fest im Blick und absolvierte Prüfung auf Prüfung, so wie vorgesehen, um in möglichst kurzer Zeit das Studium zu beenden.

Schon damals begegneten mir Menschen, die mit der Ausbildung anders umgegangen sind. Ein Kommilitone zum Beispiel war häufig als Ski- und Tennislehrer unterwegs und hatte damit mit den Mädels, die er so kennenlernte, viel Spaß. Ein anderes Studentenpärchen fuhr ein halbes Jahr nach Südamerika, um danach das Studium fortzusetzen. Immer wenn wir uns trafen, konnten sie tolle Geschichten erzählen – mir erschien das zwar damals schön, aber ich wollte das Studium möglichst schnell beenden. Ich dachte, dass ich für „solche Sachen“ später Zeit hätte – meine Güte, war ich damals zielorientiert. Und das ist noch nett formuliert.

Dann begann das Berufsleben mit Arbeit im Krankenhaus und später dann mit der eigenen Praxis. Ich funktionierte, arbeitete immer mehr und spürte meine Gefühle kaum noch. Hin und wieder merkte ich, dass mir etwas fehlte, doch ich nahm mir keine Zeit dafür – war ja auch vernünftiger, dachte ich. Erste Risse bekam dieses Bild, als mir immer wieder Menschen begegneten, die so viele Pläne für später hatten und diese dann wegen Krankheit oder aus anderen nicht vorhersehbaren Gründen nicht umsetzen konnten. Und manche dieser Menschen sind sogar in einem frühen Lebensalter gestorben, plötzlich und unerwartet. Ich wurde immer nachdenklicher, ob dieser seit meiner Jugend perfekt „verinnerlichte“ Weg, alles dem vermeintlichen Erfolg unterzuordnen, wirklich der Beste ist.

Meine Umkehr – ein neuer Weg

Nun spürte ich, es passt nicht – mein durchgeplantes und zielorientiertes Leben. Es war eine schwere Geburt, mich darauf einzulassen, nicht mehr nur auf den Kopf zu hören, sondern meiner Seele zuzuhören und meinen Gefühlen zu vertrauen. Schließlich trennte ich mich von meiner ersten Hausarztpraxis, da dort vor lauter Arbeit das Leben an mir vorbeilief. Viele in meinem Umfeld hielten das für „verrückt“, war ich dort gut etabliert und sehr erfolgreich. Doch ich suchte einen Neuanfang und übernahm meine jetzige Praxis in Unterensingen. Ich bildete mich in Naturheilkunde und Psychotherapie weiter und integrierte diese Bereiche in meine bisherige Tätigkeit als Hausarzt. Und auch die Freude am Tanzen entdeckte ich wieder und bin inzwischen begeisterter Tango-Argentino-Tänzer – Lebensfreude pur!

Rückblickend bin ich sehr froh, trotz anfänglicher Ängste, diese Veränderung gewagt zu haben. Weitere Veränderungen folgten im Laufe der Zeit. Ich spüre jetzt, dass ich, wenn ich auf meine Gefühle achte, sie wertschätze, Menschen ganz anders wahrnehme und verstehen kann. Diese Empathie, dieses Einfühlen hilft mir in meinem Beruf. Nun spüre ich viel früher und merke ganzheitlicher, wo meinen Patienten der Schuh drückt. Früher dachte ich, Gefühle zuzulassen, würde mich ablenken. Gefühle seien eine Schwäche. Heute weiß ich, dass das Gegenteil richtig ist: Nur durch die Wahrnehmung meiner Gefühle kann ich vieles verstehen – mich selbst und andere Menschen. Und auch beim Tango Argentino spüre ich, wie schön es ist, mit meiner Partnerin einen wundervollen Tanz zu erleben.

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